Tadesse Abraham vom LC Uster und der Rütner Christian Kreienbühl haben an der EM in Zürich mit dem Schweizer Team Bronze geholt. In der Saison 2015 setzen die zwei Marathonläufer unterschiedliche Prioritäten.

Ein letztes Rennen steht mit dem Silvesterlauf am 14. Dezember noch an. Dann ist das Sportjahr 2014 für den Rütner Marathonspezialisten Christian Kreienbühl Geschichte. «Unglaublich» ist es aus seiner Sicht gewesen. Dass Kreienbühl dieses Wort verwendet, hat vor allem einen Grund: Zusammen mit Viktor Röthlin und Tadesse Abraham sicherte der 33-jährige Oberländer an der EM in Zürich der Schweizer Equipe die Bronzemedaille in der Marathon-Teamwertung.

Mit dem dritten Platz wäre Kreienbühl auch am Silvesterlauf zufrieden, denn die Konkurrenz ist stark. Vor allem Tadesse Abraham erfreut sich einer ausgezeichneten Form. Zuletzt hat der Athlet des LC Uster den Basler Stadtlauf zum vierten Mal in Serie gewonnen. Und weil er vor dem letzten Rennen die Wertung anführt, stehen die Chancen gut, dass sich Abraham am Silvesterlauf den Gesamtsieg im Post-Cup, der bedeutendsten Laufserie der Schweiz holt.

Die Siegprämie von 7000 Franken wäre dabei ein schöner Nebeneffekt. Die Stadtläufe im Herbst und Winter sind schliesslich willkommene Einnahmequellen für ihn – aktuell zugleich aber auch Belastungstrainings. Denn Abraham arbeitet auf einen frühen Marathon im Jahr 2015 hin. Noch steht zwar die Bestätigung aus Japan aus. Läuft aber alles nach Plan, steht Abraham am 21. Februar in Tokio am Start, «um eine schnelle Zeit zu laufen.»

Traditionell nach Äthiopien

Den Schliff für das Rennen in Asien holt sich der im Sommer eingebürgerte Laufprofi erneut in Afrika. Schon am 3. Januar fliegt Abraham für mehrere Wochen nach Äthiopien, wo er viele Läufer und Trainer kennt. Aufenthalte im ostafrikanischen Staat spielen in seinem Training eine zentrale Rolle. Wie in der Vergangenheit hat sich der LCU-Läufer in Addis Abeba eine Wohnung gemietet. Aus der äthiopischen Hauptstadt fliegt Abraham dann knapp eine Woche vor dem Rennen direkt nach Tokio, um genügend Zeit zu haben, sich zu akklimatisieren.

So weit, so wenig überraschend. Nach seinem 14. Marathoneinsatz schlägt Abraham einen neuen Weg ein. Der gebürtige Eritreer hat die Teilnahme an den Weltmeisterschaften in Peking (22. bis 30. August) zum Saisonhöhepunkt erkoren. Er will aber nicht etwa seine WM-Premiere im Marathon feiern, sondern auf der Bahn über 10 000 Meter antreten. Abrahams Beweggrund: «Ich will herausfinden, wie gross mein Potenzial auf kürzeren Strecken ist.»

Plan B im Hinterkopf

Er habe sich schon länger mit diesem Plan beschäftigt, sagt der 32-Jährige, der heuer in Uster gleich seine erste Chance nützte, Schweizer Meister über 10 000 Meter zu werden. Mit 29:05,62 Minuten stellte er im Buchholz persönliche Bestzeit auf. Auf den Schweizer Rekord von Christian Belz (27:53,16), der 2005 als letzter Schweizer über 10 000 Meter an einer WM startete, fehlt noch über eine Minute. Und Abraham müsste die Zeit von Belz in jedem Fall unterbieten, um allenfalls auch die WM-Limite (27:45) zu schaffen. Michael Rüegg, der neue Nationaltrainer für den Bereich Langstrecken Bahn/Steeple, traut das Abraham zu. Er sagt aber auch: «Es ist schwierig, den Spagat zwischen Marathon und Bahn zu schaffen. Zudem ist das internationale Niveau über 10 000 Meter enorm hoch.»

Klappt das mit der Bahnlimite nicht, hat Abraham eine Alternative im Kopf. «Dann habe ich immer noch die Chance, im Marathon an den Start zu gehen.» Die Limite (2:18 Stunden) hat der LCU-Athlet an der EM in Zürich schon erfüllt, als er den Marathon in 2:15:05 Stunden absolvierte.

Die WM bleibt aussen vor

Während die WM in Peking in Abrahams Überlegungen eine zentrale Rolle spielt, verzichtet Christian Kreienbühl auf die Titelkämpfe. Der Rütner hat sich 2015 zum Ziel gesetzt, zwei schnelle Marathons zu absolvieren und hofft, die Limite für die Olympischen Spiele in Rio 2016 (sie dürfte zwischen 2:13:30 und 2:14 Stunden liegen) zu knacken. Um dies zu schaffen, muss er seinen Bestwert (2:15:35 Minuten) drücken. Er sagt: «Die persönliche Bestzeit zu verbessern wird nicht einfach.»

In der Vorbereitung geht Kreienbühl ein Experiment ein. Eines, das ihn inspiriert. Erstmals in seiner Karriere absolviert der Oberländer ein Höhentrainingslager in Afrika. Vier Wochen lang feilt er in der kenianischen Hochebene von Eldoret (2100 m. ü. M) an seiner Form. «Das wird ein Erlebnis», ist er sicher. Eldoret gilt als Läuferparadies schlechthin, in dem viele bekannte Ahtleten trainieren. Am 26. April steht für Kreienbühl dann der London Marathon auf dem Programm, an dem jeweils über 30 000 Läufer teilnehmen und Hunderttausende Zuschauer die Sportler anfeuern. «Ich wollte einen grossen Marathon laufen», begründet Kreienbühl seine Wahl. Er glaubt zudem, im dichten Londoner-Feld Läufer zu finden, «bei denen ich mich anhängen kann.»

Seinen zweiten Marathon des Jahres bestreitet der Rütner im September in Berlin. Das Rennen in der deutschen Hauptstadt ist für Kreienbühl mit speziellen Emotionen verbunden. Sowohl die Bestzeit im Halbmarathon als auch jene über 42,195 Kilometer hat er 2012 in Berlin aufgestellt.

(Text: Zürcher Oberländer, Oliver Meile | Bild: Hugo Rey)

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