Kurz nach seiner Rückkehr aus dem Trainingslager in Afrika will Christian Kreienbühl die EM-Limite im Halbmarathon knacken. Die EM-Teilnahme würde dem Rütner ideal in die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele passen.

Das Foto irritiert. Es zeigt die dunkelbraunen Unterschenkel von Christian Kreienbühl. Ab Höhe der Knöchel aber wechselt die Farbe abrupt, und zwei bleiche Füsse sind zu sehen. Ein Unfall mit einem Selbstbräuner? Oder ein Sonnenbrand? Keines von beidem. Die Lösung des Rätsels ist unspektakulär. Der Rütner Langstreckenspezialist war zuletzt auf staubigen afrikanischen Pisten unterwegs und hat danach einmal das Resultat einer Trainingseinheit mit seinem Handy festgehalten.

Genau vier Wochen verbrachte Kreienbühl mit anderen Schweizer Spitzenläufern in der kenianischen Hochebene auf 2400 Metern. Zum zweiten Mal nach 2015 bereitete er sich in der afrikanischen Läuferhochburg Iten auf eine Saison vor. Das Fazit fällt überaus positiv aus: «Es war super. Die Zeit ging extrem schnell vorbei.»

Kreienbühl trainierte in der inspirierenden Umgebung – er traf beispielsweise auch 800-m-Star David Rudisha – jeweils früh am Morgen sowie abends. So sammelte er pro Woche um die 200 Laufkilometer. Nur einen einzigen freien Tag gönnte sich der Oberländer während seines Aufenthalts. «Ich habe nicht intensiv, aber viel trainiert», sagt der Marathon-Spezialist, der an der EM 2014 mit der Schweizer Equipe Bronze in der Teamwertung holte. Und er schiebt mit einem Hinweis auf die Höhenlage nach: «Wenn man da nicht diszipliniert genug ist, kann man sich schnell abschiessen.»

Auf den Spuren von Abraham

Kreienbühl ist überzeugt, den Bogen in Kenia nicht überspannt zu haben. Er fühlt sich gut und nimmt seine Wettkampfpremiere 2016 mit Zuversicht in Angriff. Nur eine Woche nach der Rückkehr aus der afrikanischen Höhe unterzieht er sich am Sonntag beim Halbmarathon in Barcelona einem ersten Härtetest. Was weiss er über den Kurs? «Die Strecke ist brutal schnell», sagt er lachend, «das hat Tade letztes Jahr ja gezeigt.» Tatsächlich sorgte der für den LC Uster startende Tadesse Abraham 2015 in Barcelona für ein Ausrufezeichen. Er verbesserte mit 1:00:42 nicht nur seine persönliche Bestzeit, sondern stellte zugleich einen beeindruckenden Schweizer Rekord im Halbmarathon auf. Mit seiner Zeit unterbot Abraham, der dieses Jahr auf einen Einsatz in Barcelona verzichtet, zudem die Limite für die EM in Amsterdam (6. bis 10. Juli) deutlich.

Sechs Athleten pro Verband können in Holland im Halbmarathon starten. Erstmals überhaupt gibt es dabei Medaillen in einer Teamwertung zu gewinnen. Die jeweils schnellsten drei Läufer jeder Nation zählen dafür. Das erhöht die Attraktivität der Disziplin. Vier Schweizer haben die EM-Limite bereits geknackt. Neben dem sich momentan in Äthiopien auf den Marathon von Seoul (20. März) vorbereitenden Abraham blieben auch Adrian Lehmann, Julien Lyon und Michael Ott unter den geforderten 1:05:45 Stunden.

Eine EM vor dem Höhepunkt

Nun möchte auch Kreienbühl zu dieser Gruppe stossen. Dafür muss er seine persönliche Bestleistung verbessern. Das ist durchaus machbar, wenn man bedenkt, dass die aktuell geltende Zeit (1:05:55) aus dem Jahr 2012 stammt und Kreienbühl vier Jahre später auf einem höheren Niveau läuft. Das Rennen in Barcelona ist für ihn aber noch aus einem anderen Grund wichtig. Der 34-Jährige hat vergangenen Herbst die Marathon-Limite für Rio erfüllt – als bisher einziger Schweizer neben Tadesse Abraham. In Barcelona kann Kreienbühl nun auch die von Swiss Athletics geforderte Leistungsbestätigung erbringen. Welche Zeit dafür nötig ist, will er allerdings nicht verraten.

Der Oberländer könnte am Sonntag also gleich zwei Aufgaben mit einem guten Auftritt erledigen. Gelingt ihm dies nicht, hat er beim Halbmarathon in Berlin (3. April) eine zweite Chance. Auf den ersten Blick mag es erstaunen, dass Kreienbühl im Olympiajahr gerne auch an der EM teilnehmen würde. Man muss aber auch sehen: Die kontinentalen Meisterschaften würden perfekt in seinen Aufbau passen. Kreienbühl könnte sechs Wochen vor seinem Marathon-Einsatz am 21. August in Rio ein letztes schnelles Rennen bestreiten. Danach steht vor seinem Karrierehöhepunkt nochmals ein Trainingsblock im Engadin auf dem Programm. Bisweilen dürften seine Unterschenkel auch da ein paar Dreckspritzer abbekommen. So aussehen wie nach den afrikanischen Einheiten werden sie aber auf keinen Fall.

(Text: Zürcher Oberländer, Oliver Meile)

 

Bildlegende:
Braune Beine, weisser Rest – Christian Kreienbühls Füsse nach einem Training auf einer staubigen Strecke in Kenia.

 

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