Der Rütner Christian Kreienbühl lief den Berlin-Marathon in 2:15:35 Stunden und erfüllte damit die WM-Limite. Was hat das für Auswirkungen auf seine Zukunftsplanung?

Immer wieder schüttelte Christian Kreienbühl den Kopf. Seine Stimme vibrierte. «Ich kanns auch Stunden nach dem Rennen noch immer nicht richtig fassen.» Sein Berlin Marathon war besser als der Idealfall. Und den vermeintlichen Idealfall hatte der 31-Jährige angesteuert: eine Zeit unter 2:17 Stunden.
Es war nicht so gewesen, dass früh alles auf einen solchen Exploit hingedeutet hätte. «Ich lief von Beginn an meinen Rhythmus und fühlte mich stets ausgezeichnet», sagte Kreienbühl zwar. Gleichzeitig aber war er bald mutterseelenalleine unterwegs. Die Topläufer aus Afrika und ihre Pacemaker waren davongezogen, und neben ihm lief anfänglich ein einziger Mitkonkurrent. Doch das zufällig gebildete Duo harmonierte schlecht. «Mein Kollege lief unregelmässig, sodass ich fast froh war, als er zurückfiel», sagte Kreienbühl. Die an sich unerwünschte Ausgangslage versuchte er ins Positive zu drehen: «Ich konnte nun voll und ganz in mich hineinhören und meinen Rhythmus laufen.» Die enthusiastischen Zuschauer am Streckenrand halfen und trugen ihn. «Wenn ich in einer Gruppe hätte laufen können, hätte ich mehr Energie sparen können. Aber ich war mir auf der gesamten Strecke mental nie alleine vorgekommen», sagte er später.

Ein Steigerungslauf
Und das ermöglichte Kreienbühl eine stärkere zweite Hälfte. Nachdem er die Halbmarathonmarke bei 1:08:21 Stunden passiert hatte, begann er «vorsichtig zu steigern». Knapp 20 Sekunden holte er bis zur 30-km-Passage heraus. Und noch immer spürte er nichts von der gefürchteten «Wand». Also setzte er nochmals zu – und nun markant. In bis zu 3:07 Minuten lief er nun den Kilometer, acht Sekunden schneller als auf der ersten Streckenhälfte. Zum Vergleich: Europameister und Schweizer Rekordhalter Viktor Röthlin kam bei seinen 2:07:23 Stunden auf einen Kilometerschnitt von gut 3:01 Minuten. Ganz durchziehen aber konnte Christian Kreienbühl dieses Tempo nicht: «Um die 40-km-Marke herum kam so etwas wie eine Miniwand.» Sie warf ihn nicht aus dem Konzept. Er konnte mit ihr umgehen. Nur ein klein wenig musste er nun zurückstecken. Alles in allem legte er die zweite Streckenhälfte um gut eine Minute schneller zurück als die erste.
Nach 2:15:35 Stunden hatte Christian Kreienbühl die 42,195 km gemeistert. Um erstaunliche 4:02 Minuten blieb er unter seiner alten Bestmarke. An 13. Stelle in der Schweizer Allzeit-Bestenliste schob er sich damit – und mit Ausnahme von Röthlin handelt es sich um die beste Zeit eines Schweizer Marathonläufers seit 2007 (Christian Belz). Das sind erfreuliche Fakten, die im Hinblick auf das grosse Fernziel Leichtathletik Europameisterschaften 2014 in Zürich ein wichtiges Zeichen darstellen – für Kreienbühl, aber auch für den Verband. Und mit dieser Zeit verbunden ist die Limite für die Weltmeisterschaften des nächsten Sommers in Moskau (2:17:00). Kreienbühl staunt: «Dass mir auch dies glückte, realisierte ich vorerst gar nicht.»

Noch mehr investieren
Mit Coach Rubén Oliver – der Ebmatinger lief in Berlin mit 2:38:16 auf Rang 136 – wird er diese neue Ausgangslage besprechen. Er werde für die nächste Saison einen Plan A mit und einen Plan B ohne WM-Teilnahme machen, sagt der Rütner. Schliesslich habe er zwar die Limite geschafft, aber deshalb sei er noch nicht selektioniert. Ausbezahlt hat sich für ihn die konsequente Ausrichtung auf den Berlin-Marathon. Die Reduktion des Arbeitspensums als IT-Projektleiter bei der UBS von Vollzeit auf 70 Prozent im letzten Dezember gehört dazu. Ebenso aber das konsequente Training. Mitte August zog er abgestimmt auf den Marathontermin für vier Wochen ins Höhentraining nach St.Moritz. Und was folgt nun? Christian Kreienbühl schmunzelt: «Meine Planung lief einzig und allein auf Berlin. Nun gönne ich mir eine Pause.»
Es kann aber gut sein, dass Kreienbühl danach noch mehr in den Laufsport investiert und sein Berufspensum weiter reduziert. Schliesslich sieht er punkto Regeneration viel Potenzial. Klar ist: Kreienbühl wird den Fokus künftig noch stärker auf den Marathon legen. Was für Zeiten künftig möglich sind, kann er aber nicht abschätzen. «Im Moment bin ich etwas ratlos. Ich habe das Gefühl, dass es fast nicht schneller geht. Aber», fügt er an, «irgend etwas kann man immer optimieren.»
(Text: Zürcher Oberländer, Jörg Greb und Nikolas Lütjens | Bild: Daniel Droll)

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