Die Deutsche Sprache erlaubt es, fast beliebig lange Wörter zusammenzusetzen und so komplexere Begebenheiten mit einem einzigen Wort zu umschreiben: Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmütze. Während einiger langen Trainings im Januar hatte ich genügend Zeit einige Begriffe zu kreieren, die uns Läufer verbinden.

Bahnschrankenübergangsbeschleunigungsstress

Die Stress-bedingte, kurzzeitige Beschleunigung beim Joggen über einen Bahnübergang hat zwei Gründe: Einerseits besteht die latente Gefahr, dass jeden Moment die Warnlichter zu blinken beginnen und man vor verschlossener Schranke trippelnd warten müsste. Andererseits beschleicht viele ein unangenehmes Gefühl, wenn man sich direkt auf dem Gleis befindet.

Laufgefühlzerstörungsphobie

Die Angst, dass ein Blick auf die GPS-/Puls-Uhr während eines Trainings das gute Laufgefühl nicht bestätigt und das Ding einen höheren Puls sowie eine langsamere Pace als erwartet anzeigen könnte.

Äusserlichkeitenkonkurrenzanalyseversuch

Der klägliche Versuch, seine Konkurrenten anhand Ausrüstung, Körpersprache, Athletik oder Ähnlichem einschätzen zu wollen.

Wettkampfstarttoilettenneurose

Der unerklärliche Harn-Drang und Zwang unmittelbar vor Wettkampf-Starts noch einmal auf’s WC gehen zu müssen, obwohl man sich nur wenigen Minuten zuvor erleichtert hat. Verschwindet zum Glück (meist) kurz nach dem Loslaufen von alleine.

Sozialemedienpräsentationspromiskuität

Der Hang und der damit verbundene Stolz harte Trainings auf allen möglichen Internet-Portalen zu veröffentlichen. Meist kombiniert mit dem Drang ebenso die damit verbundene Selbst-Belohnung zu dokumentieren.

Ziellinienüberquerungsstoppuhrstoppreflex

Selbsterklärend für jede Läuferin und jeden Läufer. Obwohl unsere Laufzeit heutzutage selbst bei kleineren Laufveranstaltungen mittels Chip von Start- bis Ziellinie genau gemessen wird, greift unsere Hand just im allerschönsten Moment des Wettkampfes zum Laufcomputer am Handgelenk. Immer. Auch wenn man einige Sekunden später vor Erschöpfung das Bewusstsein verliert. Eigentlich unerklärbar, aber wahrscheinlich durch die vielen Trainings tief in unserem Unterbewusstsein verankert.

Spaziergängerseitenwechselvorahnung

Wenn man sich Spaziergängern (oft mit Hund) von hinten annähert, zu einem Überholmanöver ansetzen will und dabei vorausahnt, dass sich beide (Hund und Herrchen) im allerletzten Moment doch noch spontan entscheiden die Wegseite zu wechseln. Kann mit scharrendem Laufen, Pfeifen oder Hüsteln teilweise umgangen werden.

Hundeüberholungsrückwärtsschauzwiespalt

Hundeüberholungsrückwärtsschauzwiespalt

Hundeüberholungsrückwärtsschauzwiespalt

Die Unsicherheit, ob man nach dem Überholen eines Hundes zur Sicherheit noch einen Blick zurück werfen sollte, oder ob man sich damit als Angsthase outen würde. Auch nicht ganz klar, ob man einen mittel-friedlichen Hund damit provoziert oder nicht.

Laufprospektporträtsuchnervosität

Das durch Selbstverliebtheit getriebene Suchen des eigenen Ichs auf Werbefotos von besuchten Laufveranstaltungen und die damit verbundene kurzzeitig ansteigende Pulsfrequenz. Oft mit dem Ärger verbunden, von einem anderen Läufer verdeckt zu sein (nur die eigenen Laufschuhe sind sichtbar), oder das Bild illustriert gänzlich unvorteilhaft die Wirkung der Erdanziehungskraft sowie die Trägheit der Masse (Landephase statt Sprungphase). Siehe Titelbild für je ein Beispiel davon.

Joggerüberholungsunsicherheitszögern

Der kurze Moment der Unsicherheit, wenn man einen anderen Jogger während des Trainings überholt. Wird sie/er kontern?

Trainingswettkampfdiskrepanzmysterium

Die unerklärliche Tatsache, dass man im Rahmen eines Wettkampfes viel schneller laufen kann als im Training.

Rundenzählzweifel

Die Unfähigkeit eines jeden Läufers, während des Wettkampfes die Runden zu zählen. Am schwierigsten ist es sieben Runden abzuzählen. Nach 3 Runden ist es fast unmöglich zu wissen, ob man bereits 3 absolviert hat oder ob man sich erst in der 4. Runde befindet. Ist ja das Gleiche, oder nicht?

 

Die Idee zu diesem Blog-Eintrag lieferte das Lauf-unspezifische Buch „Schottenfreude“ von Ben Schott (ISBN 039916670X), welches ich zu Weihnachten verschenkt habe.