Auch als wasserscheuer Läufer halte ich mich ab und zu im Hallenbad auf, um dort Aqua-Running-Trainingseinheiten zu absolvieren. Dazu trägt man eine Neopren-Auftriebshilfe um die Hüfte, die dafür sorgt, dass der Kopf ständig über dem Wasser schwebt, obwohl man kraftlos im Wasser liegt.

Aqua-Running

Dieser Wasserauftrieb funktioniert selbst bei dürren Marathonläuferinnen und -Läufern mit verschwindend kleinem Körperfettanteil. Für den Trainingseffekt strampelt man mit dem Rest des Körpers im Wasser in beliebiger Intensität und mit möglichst lustig anmutenden Laufstilen (stell Dir zum Beispiel den „Asterix-Schritt“ vor). In der Läufergemeinde hält sich hartnäckig das Gerücht, dass André Bucher (Weltmeister über 800m im Jahr 2001) während seiner verletzungsbedingten Pausen noch härter im Wasser trainieren konnte als an Land. Gemäss AquaFit-Experten eignet sich diese Art der „Fortbewegung“ hervorragend zur gelenkschonenden Kräftigung der kompletten hinteren Muskelkette (Beine, Gesäss, Rücken). Dass man dabei das Gehirnmuskeltraining sträflich vernachlässigt, verschweigen die Marketing-beeinflussten Wasser-Gurus allerdings wohlweislich. Mit einem wasserdichten MP3-Player ausgerüstet kann man die Trainingseinheiten dennoch einigermassen aushalten. Dieses Gerät ist eine lebensrettende Erfindung, leider fehlt ihm der Wasser-betriebene Akku. Mein persönlicher Rekord liegt bei 100 Minuten Aqua-Jogging am Stück. Eigene Studien über die anderen anwesenden Wasser-Ratten anzustellen, bringt zusätzliche Abwechslung ins monotone Training im Mikrokosmos Hallenbad.

Delfin (Profis)

Die Delfine sind die Königinnen und Könige im Tierreich des Hallenbades. Mit erhobenen Häuptern, gespannten Schwimmhäuten, gestählten V-förmigen Oberkörpern und Wasser-abperlender, haarloser Haut bewegen sie sich schlangenartig im Wasser und an Land. Es ist die einzige Spezies, die vor dem Schwimmen Aufwärm-Übungen der Arme vollführt. Man erkennt die entsprechende Schwimmbahn daran, weil sie mit Trinkflaschen, Schwimmhilfen und wasserdicht verpackten Trainingsprogrammen markiert sind. Ultra-enge, zu knapp geschnittene Badehosen sind ein weiteres eindeutiges Merkmal der Delfine.

Kröte (Senioren)

Die Kröten sind in den Hallenbädern stets in der Überzahl. Sie bewegen sich sehr langsam zu Land, aber unglaublich geschmeidig im Wasser. Dafür brauchen sie dank der Integration der Schwimmhilfen keinen zusätzlichen Auftrieb keine zusätzliche Schwimmhilfen oder Trainingspläne – sie spulen täglich das immer gleiche Programm ab. Der Körperbau ist das genaue Gegenteil jener der Delfine. Die breiteste Stelle des Körpers befindet sich nicht im Schulterbereich, sondern liegt weiter unten ungefähr in der Mitte des Körpers. Im Gegensatz zu den Delfinen könnte man meinen, dass sie ihre Torpedo-Form mit dem falschen Ende nach vorne bewegen. Ebenso unterscheidet sie von den Profis, dass sie ihre berüschte Badekappe, statt tief in die Stirn gezogen, lieber „auf Durst“ (im Nacken) tragen.

Stillleben - Ausrüstung eines Pferdes

Stillleben – Ausrüstung eines Pferdes

Pferd (Aqua Jogger)

Wie Pferde (nicht Seepferde!) im Wasser bewegen sich die Läuferinnen und Läufer. Ohne Schwimmhilfe können sie sich strampelnd eben gerade über Wasser halten. Ihr Fell saugt sich sofort mit dem kühlen Nass voll und zieht sie nach unten. Mit der entsprechenden Ausrüstung (Aqua Vest – siehe Einleitung oben), Ausdauer und eiserner Disziplin schaffen sie es, nicht zu ertrinken und sogar ab und zu einen anerkennenden Blick eines Delfins zu erhaschen. Aber Pferde gehören eigentlich in die offene, weite Prärie – nicht ins Wasserbecken. Ein Pferd im Schwimmbad ist wie eine Adilette am Opernball.

Eule (Bademeister)

Apropos Adiletten: Im Hallenbad sind auch Eulen anzutreffen. Auf den ersten Blick ein Traumjob, könnte man meinen: Bei konstanten 25-30° Grad und bequemer Arbeitsuniform (T-Shirt, Shorts und Adiletten) bleiben sie mit Sicherheit von schlechtem Wetter verschont – sie können aber auch nie das schöne Wetter und die chlorfreie Luft draussen geniessen. Der Eule entgeht in ihrem Revier nichts. Sie hat scharfe Augen, die sie in sekundenbruchteilen in jeden Winkel des Bades richten kann. Bei Streitereien zwischen den Delfinen und Kröten schreitet sie sofort als schlichtende Instanz ein, auch wenn es häufig nicht viel mehr braucht als ein offenes Ohr.

Hund (Allgemeinheit)

Hunde sind eigentlich nie im Hallenbad. Sie gehen im Winter zur Abwechslung dorthin, planschen im Becken und kennen das Konzept des Bahnen-Schwimmens nicht. Wie die Pferde können sie eigentlich nicht richtig schwimmen, sie halten sich einfach irgendwie über Wasser. Im Gegensatz zu den Pferden gehen sie aber ohne sportliche Absicht ins Bad. Viel mehr geht es darum, Delfine zu ärgern und unauffällig das andere Geschlecht (aller Gattungen) zu beschnuppern.

Heuschrecke (Schulklassen)

Heuschrecken treten grundsätzlich im Schwarm auf. Sie bringen den geordneten Betrieb durch ihre hektische und lärmige Art komplett aus der Ruhe. Sie scheinen sich in beiden Elementen gleich wohlzufühlen und keinen Unterschied zu machen. Einige bezeichnen sie sogar als unkontrollierbare Plage. So sind sie zum Beispiel immun gegen Anweisungen aller anderen Anwesenden. Auf der anderen Seite bringen sie Farbe in das monotone Training der Pferde.

Links

Zur musikalischen Begleitung dieses Textes empfehle ich den „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns.

Weitere Informationen zum Thema „Aqua Running“ könnt Ihr hier nachlesen – geschrieben von einem ausgewiesenen Experten: http://www.bolv.ch/data/nwkdownloads/Deep_Water_Running.pdf

Wer es noch ausführlicher will, findet Gefallen am Buch „Aqua-Fit: Schonendes Ganzkörpertraining für Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit” von Valentin Belz: http://www.amazon.de/Aqua-Fit-Schonendes-Ganzkörpertraining-Koordination-Beweglichkeit/dp/3720525872/