In letzter Zeit habe ich für das Grundlagen-Training nicht nur viel Zeit im Wasser (Aqua Jogging), sondern noch viel mehr Stunden auf dem Rennvelo verbracht. Als Greenhorn in dieser Sportart ist mir aufgefallen, dass es viele ungeschriebene Gesetze gibt, an die man sich tunlichst hält. Grundregel Nummer 1: keine Unterhosen unter den Velohosen.
Nichts drunter
Was Unterwäsche-technisch im Alltag als ziemlich anrüchig daher kommt, ist unter den „Gümmelern“ das Normalste der Welt: Unter den Velohosen trägt man keine Unterhosen. Jeder Velofahrer, der den Fehler jemals begangen und zwischen Haut und Velohosen noch eine Schicht gelegt hat, konnte nach zwei bis drei Stunden auf seinem Hintern eine perfekte Blaupause (eher Rotpause) des Hosen-Schnittmusters bestaunen. Ich spreche aus Erfahrung.
Stilpolizei
Äusserst wichtig ist natürlich auch das Äussere: Anders als bei der Laufausrüstung müssen Hosen, Tricot und Gilet unbedingt Farben-, Marken- und Schnitt-mässig zusammenpassen. Als Anfänger outet man sich, wenn man mit der Kapuzen-Laufjacke (i.e. Bremsfallschirm) aufkreuzt. Ein weiteres Frischling-Merkmal sind die Ventildeckel auf den Rädern. Diese ein, zwei Gramm Gewicht spart der Profi lieber – und was ist denn überhaupt die Funktion dieser Dinger?! Apropos ohne Funktion: Noch schlimmer wäre nur noch das Plastik-Dächlein am Helm montiert zu lassen – nochmals zu sparende fünf bis zehn Gramm.
Gruss
Eine sehr sympathische Gewohnheit finde ich, dass sich die Rennrad-Fahrerinnen und -Fahrer stets freundlich durch Zunicken oder Finger-heben grüssen, sei es beim Kreuzen oder beim Überholen – ähnlich wie die Töff-Fahrer übrigens. Aber Vorsicht, es grüssen sich nur sportlich Betätigende untereinander; einkaufende Hausmänner/-Frauen etwa oder pendelnde ArbeitnehmerInnen sind da aussen vor gelassen. Unter den SportlerInnen ist selbst ein kurzer Schwatz bei geschlossener Bahnschranke oder rotem Licht – natürlich per Du – durchaus üblich.
Duelle
Nach dem Small Talk aber kommt es zum kritischen Moment: Soll man zusammen weiterfahren oder soll man den Eingeholten gleich deponieren? Wer fährt vorne, wer hinten? Wenn man jemanden unterwegs einholt, ist die Sachlage klarer: Man überholt relativ zügig und merkt dann sofort, ob der Überholte in den Windschatten hängt oder nicht. Dieses leicht schmarotzerische Verhalten des Opfers ist im Übrigen geduldet. Aber, liebe Männer, es ist KEINE Regel, dass man sich von Frauen grundsätzlich nicht überholen lassen darf.
Zeichensprache
Sollte man es tatsächlich schaffen, einmal der vorderste Fahrer einer Gruppe zu sein („Tête de la Course“), dann ist es wichtig, dass man die als Geheimsprache anmutenden Gebärden kennt, mit der man den Verfolgern fairerweise die Fahrbahn-Beschaffenheit mitteilt. Diese sehen die „Windschätteler“ nämlich nicht selber, da ihr Vorderrad 5-10 cm hinter Deinem Hinterrad klebt. Schlaglöcher, Hindernis-Umfahrung, Tempo-Reduktionen oder Gleise haben alle eine eigene Handbewegung zugewiesen. Wer nicht anzeigt, begeht gruppendynamischen Selbstmord und wird bei der nächsten Gelegenheit abgehängt.
Gruppendynamik
Startet man eine Tour in der Gruppe, kommt man auch als Gruppe wieder ins Ziel. Ausnahme: Man bespricht sich unterwegs und teilt sich in zwei „Grupettos“ unterschiedlicher Fahrgeschwindigkeiten auf. Angriffe sind nicht gerne gesehen, ausser es wird so vor der Fahrt abgesprochen. Viel eher sind Radfahrer mit einer möglichst regelmässigen Belastung unterwegs. Ein weiteres Merkmal, wie sich „Newbies“ auszeichnen: Sie fahren grundsätzlich bergauf zu schnell und lassen bergab die Beine baumeln.
Gewinnen
Will man bei einem Training den Respekt der Gruppe gewinnen, versucht man keineswegs sich in einer Steigung abzusetzen. Solch rowdyhaftes Benehmen kann vom Rest des Feldes auch einmal mit Konterangriffen abgestraft werden. Vielmehr zeichnet sich als stärkster Fahrer aus, wer in der Fläche am längsten Führungsarbeit im Wind verrichtet.
Helmfrisur-Rezept
Wie kriegt man nun das mit der echten Helmfrisur hin? Man nehme einen Velo-Helm, einen Kopf und mittellange Haare. Helm vorsichtig auf den Kopf setzen. Verschluss schliessen und Riemchen gut anziehen. Helm, Kopf und Haare bei mittlerer Hitze mindestens zwei Stunden schwitzen lassen. Helm vom Kopf trennen und gut austrocknen lassen. Fertig ist die Helmfrisur!