Christian Kreienbühl hat es in sieben Jahren vom Marathondebütanten zum EM-Medaillengewinner gebracht. 2015 dürfte es sich zeigen, ob der Rütner einen weiteren Traum verwirklichen kann.
«Es ist etwas vom Schönsten, was man sich vorstellen kann: vor Freude weinen.» So endet ein Text des Rütners Christian Kreienbühl über den EM-Marathon in Zürich, in dem er der Schweiz mit einem beherzten Lauf den dritten Platz in der Teamwertung sicherte. Als «unglaublich» beschrieb er im Ziel Stimmung und Rennen und prophezeite im Fernsehinterview, er werde vor lauter Hühnerhaut «Muskelkater in den Armhaaren» haben. Unter die zahlreichen Gratulanten reihte sich mit einem SMS auch Bundespräsident Didier Burkhalter ein. «Woher hat der meine Nummer», fragte sich Kreienbühl und sagt: «Schön, dass ich jetzt seine habe.» Noch immer erhält der Rütner Rückmeldungen von Leuten, die er nicht kennt. «Dass das andauert, ist schon speziell.»
Auch Einladungen, etwa zu den Sports Awards, erhielt der Rütner. Nur Sponsorenanfragen gab es bisher nicht. «Das hätte mich auch sehr erstaunt», sagt der 33-Jährige. «Es ist immer noch Leichtathletik und ein Einzelsport. Wenn man nicht Weltoder Europameister wird, ist es fast ausgeschlossen, dass eine Firma auf einen zukommt.»
Kreienbühl überlegt sich deshalb mithilfe einer Sportmanagement-Agentur auf Sponsorensuche zu gehen. Denn für ihn steht fest: Die EM soll nicht bereits sein Karrierehöhepunkt gewesen sein. «Dann müsste ich ja aufhören. Es gibt noch viel, was ich verbessern und erleben kann.»
Die WM ist kein Thema
Findet er keine neuen Sponsoren, geht es für ihn im gleichen Rhythmus weiter. Neben seinem 50-Prozent-Pensum als IT-Projektleiter bei einer Grossbank wird er sich weiterhin dem Sport widmen. Eine praktikable, aber keine optimale Lösung. Denn gerade die Erholung kommt so oft zu kurz. Etwas, was bei Kreienbühls Zukunftsplänen durchaus ins Gewicht fallen könnte. «Ich will nächstes Jahr zwei schnelle Marathons laufen», sagt er. Die WM in Peking sei deshalb kein Thema für ihn.
Mit einer Zeit von 2:46:28 gab Kreienbühl 2007 seinen Einstand auf der Marathonstrecke – nach einer sechsjährigen Wettkampfpause notabene. Seit dem Herbst 2012 steht sein Rekord bei 2:15:35 Stunden. Die letzten anderthalb Jahre war Kreienbühl vornehmlich auf Platzierungen aus. Seine Leistung an der Heim-EM – Rang 23 in 2:18:36 – stuft er als «nicht ganz so gut ein» wie diejenige damals in Berlin. Allerdings musste Kreienbühl im EM-Vorfeld auch mehrere Woche wegen einer Verletzung pausieren.
Drei Olympia-Chancen
2015 will er sich nun in einem ersten Rennen, vorzugsweise in London, Paris oder Hamburg, wieder seiner Bestzeit annähern und sie dann spätestens im Herbst verbessern. Schneller werden muss er – sonst kann eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro nicht zum Ziel werden, sondern bleibt das, was sie Kreienbühl jetzt noch zurückhaltend nennt: «ein Traum».
Noch kennt Kreienbühl die geforderte Olympia-Limite nicht, sie dürfte aber aufgrund der Erfahrungswerte aus der Vergangenheit zwischen 2:13:30 und 2:14 Stunden liegen. Chancen, sie zu unterbieten, hat er deren drei – zwei im kommenden Jahr und eine im Frühling 2016. «Wenn ich nächstes Jahr zwei schnelle Marathons laufe, könnte es möglich sein», ist Kreienbühl vorsichtig optimistisch.
Ein positives Zeichen hat derweil der Schweizer Leichathletikverband gesetzt. Die Marathonläufer werden ähnlich wie die Staffelsprinter weiter als Team unterstützt. Unter anderem, weil es an der EM 2016 eine Mannschaftswertung im Halbmarathon gibt. So zahlt der Verband seinen Läufern auch künftig «zumindest einen Teil» der Kosten für ein Trainingslager.
Die Idee Kenia
Ein solches will der Rütner anfangs 2015 zusammen mit Michael Ott und Adrian Lehmann absolvieren. Als Destination kommt neben Portugal auch Kenia infrage. Eine Reise in die afrikanische Läuferhochburg bezeichnet Kreienbühl aber mehr als Idee denn als Plan.
Klar ist hingegen, welches Rennen der Rütner nach einer Pause als nächstes bestreitet: die Corrida Bulloise am 15. November. Den Jahresabschluss feiert er einen Monat später am traditionellen Zürcher Silvesterlauf. Spätestens entlang des Limmatquais, einem Streckenteil, den es auch an der Europameisterschaft zu bewältigen galt, dürften dann die «unglaublichen» EM-Erinnerungen noch einmal hochkommen. Und vielleicht auch ein wenig Hühnerhautgefühl.
(Text: Zürcher Oberländer, Nikolas Lütjens | Bild: EQ Images)