Die verrückteste Geschichte ist wohl die seines ersten Marathons. Christian Kreienbühl hatte aufgehört mit der Leichtathletik und war während sechs Jahren vielleicht noch einmal jährlich joggen gegangen. Dann nahm er sich vor, in Zürich zu starten, lief in einem halben Jahr total 550 Kilometer, nie mehr als 13 Kilometer am Stück. Den Marathon absolvierte er in 2:46. «Das ist eigentlich eine unglaubliche Leistung», sagt er.

Kaum ein Hobbyläufer würde sich mit so einer minimalen Vorbereitung an die 42,195 Kilometer wagen. Kreienbühl rannte damals auch einmal 1000 Meter, so schnell er konnte: in 3:20 Minuten. Die Vorbereitung auf den letzten Marathon umfasste in dreieinhalb Monaten 2500 Kilometer, das entspricht Zürich-Malmö retour. Im Rennen spulte er den Kilometer in 3:10 ab, 42-mal hintereinander. Das sind sehr beeindruckende Zahlen. Aber Marathontraining ist weit mehr als nur Laufen. Rund ein Drittel des Aufwandes von total 24 Stunden pro Woche wendet der 35-Jährige für andere Dinge auf. Darunter: drei Stunden Mentaltraining. «Ich bin überzeugt, dass man nur zu Spitzenleistungen fähig ist, wenn man sich im Gleichgewicht befindet», sagt Kreienbühl. Deshalb verbringt er seit Anfang dieses Jahres viel Zeit mit Meditation. Zwar hat auch das Laufen bisweilen etwas Meditatives, wenn man in sich ruht und sich plötzlich fragt, wie man eigentlich von A nach B gekommen ist. Aber der Zürcher nimmt sich ausserhalb des Lauftrainings bewusst Zeit fürs Meditieren.

Zum Mentaltraining gehört es auch, Momente des Wettkampfs zu visualisieren. Das kann bedeuten, dass man sich den Erfolg immer wieder vorstellt und daran zu glauben lernt. Oder man trainiert das Verhalten in schwierigen Situationen. Das habe ihm extrem viel gebracht, sagt Kreienbühl. «Früher war ich vor den Wettkämpfen fast krank vor Nervosität. Das ist vorbei.»

Eine Frage, die den Läufer immer beschäftigt: Was sagt der Körper? «Man muss gut in sich hineinhorchen», sagt Kreienbühl. Denn die 2500 Kilometer der Vorbereitung verlaufen auf einem schmalen Grat. Vor allem in den Trainingslagern haben die Athleten endlos Zeit, aber sie müssen es spüren, wenn sie an eine Grenze stossen. Marathonlaufen ist auch eine Frage der Geduld. 80 Prozent des Trainings sind sehr locker, nur 20 Prozent intensiv.

(Text: NZZ am Sonntag, Remo Geisser)

 

[Download Artikel als pdf]