Über ein Jahr liegt das letzte Rennen von Christian Kreienbühl zurück. Nun gibt der Marathonläufer nach einer Verletzung sein Comeback. Wo er leistungsmässig steht, weiss der Rütner nicht.

Am Samstag macht Christian Kreienbühl einmal mehr seine Aufwartung am Altstätter Städtlilauf. Der Rütner war schon in verschiedensten Funktionen dabei: als Gast, Ehrenstarter und mehrfach als Läufer. Es sind schliesslich Kollegen, die das Rennen organisieren.

Doch für Kreienbühl ist es nicht nur ein Freundschaftsdienst, im St. Galler Rheintal anzutreten. «Der Zeitpunkt des Rennens ist ideal», sagt er. Zwei Wochen vor jedem Marathon absolviert der 36-Jährige jeweils einen Tempolauf über 10 Kilometer. Oder wie jetzt am Städtlilauf über 8,9 Kilometer.

Test und Comeback zugleich

Für Kreienbühl ist der Start in Altstätten der Test für den Berlin-Marathon (24. September) und sein Comeback zugleich. Über ein Jahr ist es her, seit er letztmals ein Rennen bestritt.

Am 21. August 2016 absolvierte Kreienbühl an den Olympischen Spielen in Rio den Marathon. Danach legte der Oberländer eine Pause ein. Sie wurde verletzungsbedingt allerdings arg viel länger als geplant. Die Ursache dafür? Schmerzhafte Probleme mit seiner linken Achillessehne, die entzündet war.

Sprung ins kalte Wasser

Mehrere Monate musste der Rütner mit Laufen aussetzen, absolvierte stattdessen Alternativtraining. Auf dem Rennvelo, dem Bike oder im Winter in der Langlaufloipe. Einen ersten Wiedereinstieg ins Hauptmetier musste er im Frühling abbrechen, weil die Schmerzen zurückkehrten.

Seit Anfang Juli aber ist er zurück im Lauftraining. Seither hat er die Umfänge stetig steigern können.

Momentan ist Kreienbühl schmerzfrei. Er sagt aber auch: «Der Wiedereinstieg verlief nicht störungsfrei.» Immer mal wieder musste der Langstreckenspezialist sein Pensum etwas reduzieren, um die Achillessehne zu schonen.

Wo er leistungsmässig steht? Kreienbühl kann es nicht richtig einschätzen. Und das, obwohl er als erfahrener Athlet über ein aussergewöhnlich gutes Körpergefühl verfügt. Dank der Aufzeichnung der Trainings hat er zudem ausreichend Daten, die er analysieren kann.

Und doch: Die Rückkehr in den Rennbetrieb ist ein Sprung ins kalte Wasser. Was Kreienbühl dabei zuversichtlich stimmt: Er musste in den vergangenen Wochen nie mehr auf alternative Trainingsformen ausweichen, war ausschliesslich auf der Laufstrecke anzutreffen.

«Die Zeit ist halt dann halt die Zeit»

Der 36-Jährige, der unlängst seinen dritten Höhentrainingsblock des Jahres im Engadin beendete, freut sich, zurück im Wettkampfmodus zu sein. Ein Ziel hat er sich für den Städtlilauf aber nicht gesetzt.

«Die Zeit ist dann halt die Zeit», sagt er. «Ich bin neugierig darauf, was möglich ist.» Wenn man so lange keine Rennen mehr bestreite, verliere man auch etwas die Wettkampfroutine, sagt er.

Beunruhigen lässt er sich davon nicht. Der Rütner hat in den letzten Monaten gelernt, sich nicht zu stark unter Druck zu setzen. Das gilt vor allem auch im Zusammenhang mit dem Berlin-Marathon. «Die Vorbereitung darauf war sehr knapp», gibt Kreienbühl zu bedenken. Er äusserst sich entsprechend zurückhaltend bei der Frage, was er sich für das Rennen in Deutschlands Hauptstadt vorgenommen hat.

Laufe alles optimal, bleibe er wenige Sekunden unter der Limite für die EM in Berlin 2018. Diese liegt bei 2:19:30 Stunden, also über fünf Minuten über seiner persönlichen Bestzeit. Doch Kreienbühl ist nicht in derselben Verfassung wie 2015, als ihm – notabene ebenfalls in Berlin – sein Rekordlauf (2:13:57) gelang. Er versteift sich denn auch nicht auf das Unterbieten der Limite, sondern betrachtet den Berlin-Marathon zugleich als Vorbereitung für einen schnellen Qualifikationsmarathon im Frühling 2018.

Attraktiv dank Medaillenjagd

Denn eines ist klar: Unterbietet man die Limite nur knapp, wird man im August 2018 kaum zum sechsköpfigen Schweizer EM-Marathonteam gehören. Seit einigen Jahren und auch dank Zugpferd Viktor Röthlin ist der Schweizer Langstreckenlauf im Aufschwung. Hinter der aktuellen Nummer 1 – Tadesse Abraham vom LC Uster – ist die Spitze deutlich breiter geworden.

Eine motivierende Perspektive ist vor allem die Möglichkeit, im Teamwettbewerb Medaillen zu gewinnen. Das ist den Schweizern zuletzt zweimal gelungen. Und Kreienbühl war jeweils dabei. 2014 gewann er mit dem Marathon-Team EM-Bronze, letztes Jahr holte der Oberländer mit der Mannschaft im Halbmarathon gar Gold.

Rund 20 Interessenten

2018 steht nun wieder ein Marathon im EM-Programm. Kreienbühl schätzt, dass rund 20 Schweizer versuchen werden, die Limite über die 42,195 Kilometer zu unterbieten. Bei weitem nicht alle werden diese Hürde überspringen, doch die Konkurrenz um die sechs Plätze ist zweifelsohne gross.

Die Rechnung ist einfach – je deutlicher man die Limite unterbietet, desto grösser ist die Chance, an der EM dabei zu sein. Um die 2:16 Stunden müsse man wohl laufen, spekuliert Kreienbühl. Der Rütner hat schon mehr als einmal bewiesen, dass er diese Zeit in den Beinen hat.

Text: züriost (Oliver Meile) | Download: pdf