Wer die Vorgaben für die Sommerspiele 2020 in Tokio bereits erfüllt hat, kann sich in Ruhe vorbereiten. Für alle anderen rückt der Kampf um den Startplatz ins Zentrum.

Text: züriost (Oliver Meile) | Download: pdf

Es ist das wichtigste, das Jeannine Gmelin von der Ruder-WM  nach Hause brachte. Mit Platz 5 im Einer sicherte sich die Ustermerin Ende August das Olympia-Ticket für Tokio.

Auch für weitere Athleten aus der Region fällt der Qualifikationsstress bereits weg. Den Bietenholzer Springreiter Martin Fuchs etwa, Marathonläufer Tadesse Abraham vom LC Uster und Maria Ugolkova vom SC Uster Wallisellen.

Die EM-Dritte über 200 m Lagen erfüllte in ihrer Spezialdisziplin die A-Limite. Begleitet werden dürfte sie von ihren Klubkollegen Antonio Djakovic, Sasha Touretski und Nina Kost – sie gehörten wie Ugolkova zu den Schweizer Staffeln, die sich je einen Quotenplatz erkämpften.

Die Systemänderung macht es mühsam.

Fabienne Schlumpf

Steeple-Läuferin

Der Komfort ist weg

Keine Sportveranstaltung strahlt einen grösseren Reiz aus als Olympische Spiele. «Allein schon, weil sie nur alle vier Jahre stattfinden», glaubt Fabienne Schlumpf.

In Brasilien erlebte die Wetziker Steeple-Läuferin ihre Olympia-Premiere. Über ein Jahr vorher hatte sie die Anforderungen erfüllt. Das war komfortabel.

Seit Anfang Mai läuft die Qualifikationsperiode für die nächsten Spiele, den nötigen Leistungsnachweis von 9:30 Minuten aber hat Schlumpf bisher nicht unterboten – verletzungshalber konnte sie kein einziges Steeple-Rennen bestreiten.

Unter normalen Umständen ist die Norm für sie eine Formsache. Das erlaubt ihr, gelassen zu bleiben. 

Emotionen ade

Schlumpf weiss durchaus, wie es sich anfühlt, wenn man über eine längere Phase einer Zeit nachjagt. Zweimal schrammte sie vor sechs Jahren an der WM-Limite vorbei. Erst bei der letzten Chance lachte ihr das Glück – Schlumpf blieb 1,02 Sekunden unter der benötigten Zeit. «Das Gefühl war unglaublich toll.»

Solche Gefühlsausbrüche sind bei Leichtathleten jetzt nicht mehr möglich. Für die nächsten Olympischen Spiele müssen sie sich mit einem neuen, mehrgleisigen Qualifikationssystem anfreunden.

Neben dem Weg über Normen ist die Teilnahmeberechtigung auch über die neu eingeführte Weltrangliste möglich. Im Fall von Schlumpf heisst das: Stand jetzt haben 16 Läuferinnen die geforderten 9:30 Minuten unterboten, das Feld aber hat 45 Plätze.

Die restlichen Plätze werden aufgrund der Weltranglistenposition vergeben.

Schlumpf hat keine Freude an der Neuerung. «Mental war es früher einfacher. Man wusste unmittelbar nach dem Zieleinlauf, ob man es geschafft hatte oder nicht. Die Systemänderung macht es mühsam. Man ist immer auf der Kippe.»

Christian Kreienbühl teilt Schlumpfs Meinung. «Es erschwert das Planen», sagt der Rütner Marathonspezialist.

Er würde nach 2016 gerne ein zweites Mal an Olympia teilnehmen. Im Marathon gibt es gleich drei verschiedene Wege, sich einen Platz im 80-köpfigen Feld zu ergattern. Man läuft bei einem Rennen der World Marathon Majors in die Top Ten. Oder unterbietet 2:11:30 Stunden.

Kreienbühl müsste dafür seine vier Jahre alte Bestzeit (2:13:57) um beinahe zweieinhalb Minuten senken – eine grosse Herausforderung. 55 Athleten haben bisher den geforderten Wert geschafft, aufgefüllt wird das Feld mithilfe der Weltrangliste. 

Es erschwert das Planen.

Christian Kreienbühl

Marathonspezialist

Der Rückschlag zur Unzeit 

Kreienbühl ist Disziplinen bedingt sowieso in einer speziellen Situation. Der wochenlange Aufbau und die nötige Pause nach den Strapazen erlauben im Normalfall höchstens zwei Marathons pro Jahr.

Zuletzt bereitete sich Kreienbühl auf den Berlin Marathon vom 29. September vor. Doch wegen Überlastungssymptomen in der Hüfte und dem Oberschenkel musste er das Unterfangen beerdigen. 

«Berlin wäre wohl die beste Chance auf eine gute Zeit gewesen», bedauert er. Nach dem Forfait steht Kreienbühl weiter ohne gültige Marathonzeit da.

Bei schneller Heilung reicht es allenfalls im Spätherbst für einen Halbmarathon oder Marathon. Ansonsten muss er aufs Frühjahr 2020 setzen – das ist alles andere als optimal. Schon Ende Mai endet die Qualifikationsperiode.

Berlin wäre wohl die beste Chance auf eine gute Zeit gewesen.

Christian Kreienbühl

Marathonspezialist

«Es wird sowieso knapp»

Kreienbühl wirkt trotz des Rückschlags gefasst. «Es wird sowieso sehr knapp.» Wie schon beim letzten Mal. Als er versuchte, sich für Rio zu qualifizieren, spornte ihn die Herausforderung an. «Es pushte mich, war aber auch kurz davor, zu kippen.»

Mittlerweile ist er 38 – und gelassener geworden. «Ob das jetzt positiv oder negativ ist, lasse ich dahingestellt», sagt er und lacht. 

Vielleicht wird die Lockerheit ja zum Trumpf in seinem kompliziert gewordenen Kampf ums Olympia-Ticket. Besser hatte es auf jeden Fall Jeannine Gmelin. Die Ustermerin wusste: Mit einem Platz im WM-Final bin ich in Tokio sicher dabei.