Die letzten zwei Artikel über Alternativ-Training hatten es bereits durchblicken lassen: Die Verletzungshexe hatte mich erwischt.

Unverletzbar

Seit meiner Kindheit treibe ich Sport, dennoch war ich nie verletzt. Körperliche Robustheit war für mich eine Selbstverständlichkeit und sicherlich einer der Gründe dafür, dass ich meine persönliche Bestzeiten-Liste mit neu gelaufenen Resultaten laufend aktualisieren durfte. Nach über 40’000 Trainingskilometer in den Beinen verletzungsfrei zu bleiben, grenzt eigentlich an ein Wunder. Zum Vergleich: Die Fahrradkette eines Rennrades hätte man für eine solche Distanz schon etwa zehn Mal ausgetauscht, beim Auto das Öl vier Mal gewechselt. So konnte ich mich glücklich schätzen, dass ich bisher in meinem Leben erst etwa drei Trainings Schmerz-bedingt abkürzen oder abbrechen musste. Doch dies sollte sich Anfang dieses Jahres ändern.

ckr auf dem Antigravitationslaufband

ckr auf dem Antigravitationslaufband

Verletzt

Nach schnell zunehmenden Schmerzen im Training wurde bei mir Ende Januar mittels MRI eine Stressreaktion im Schienbeinknochen diagnostiziert (mit einer fortgeschrittenen Knochenhautentzündung – auch „Shin Splint“ genannt). Dass der menschliche Körper nicht gleich funktioniert wie eine Maschine, wusste ich zwar bereits, jetzt weiss ich es aber noch besser. Aus anfänglich 2-4 Wochen prognostizierter Laufpause wurden schlussendlich (für mich unendlich) lange acht Wochen. Wobei ich ab der vierten Woche auf einem Antigravitations-Laufband bereits wieder die ersten Schritte machen durfte. Auch sonst war ich in den acht Wochen alles andere als untätig; es war für mich vom zeitlichen Aufwand her die trainingsmässig umfangreichste Phase überhaupt. Die grössten Erfolge waren:

  • sieben Stunden (200 km) auf dem Rennrad am Stück
  • eine Woche lang jeden Tag mindestens eine Stunde Aqua Joggen
  • in einer Woche 600 km mit dem Rennrad zurücklegen
  • die erste schmerzfreie „Laufeinheit“: auf dem Antigravitations-Laufband 2x 10 Minuten mit 30% (-70%) des Körpergewichtes in 8 km/h Pace

Der Aufwand hat sich gelohnt. Der Knochen und die Entzündung haben sich zum Glück gut erholt und ich konnte das „normale“ Lauftraining kontinuierlich steigern. Weiterhin brauche ich Geduld, bis ich meiner alten Form nicht mehr hinterher laufen muss. Ich bin aber überzeugt, dass mir das umfangreiche Grundlagentraining im Sommer noch zu Gute kommen wird.

Strassburg-Socke zur Behandlung einer Plantar Fasciitis

Strassburg-Socke zur Behandlung einer Plantar Fasciitis

Verletzungskatalog

Auch wenn ich bisher selten wegen Verletzungen pausieren musste, gab es doch ab und zu kleinere Probleme mit dem Bewegungsapparat. Eine kleine Übersicht der üblichen Laufverletzungen:

  • Achillessehnen-Probleme
  • Plantar Fasciitis / Fersensporn
  • Knochenhautentzündung
  • Knochenmark-Ödem / Ermüdungsbruch
  • Muskuläre Probleme („harte Waden“, Zerrungen)
  • Läuferknie / ITBS
  • Aduktoren- / Symphysen-Schmerzen
  • Kompartmentsyndrom / Logensyndrom
  • Patellaspitzensyndrom
  • Probleme im unteren Rücken
  • Erkältung / Grippe
  • Zehenbruch / starke Zehenstauchung (aus Unachtsamkeit in ein Tischbein oder einen Türrahmen getreten)

Mit einigen dieser Probleme musste ich leider bereits Bekanntschaft machen. Meist konnte ich dank frühzeitiger Behandlung durch Physiotherapie, Alternativ-Training und Selbstmassage eine Laufpause verhindern.

Laufpausen

Laufpausen sind für Läuferinnen und Läufer etwas vom Schlimmsten. Aussenstehende können kaum nachvollziehen, was eine Laufpause für den Betroffenen bedeutet. Kommentare wie „etwas Erholung tut Dir sicher auch mal gut“ könnten zur Weissglut treiben, denn alles was man möchte, ist schmerzfrei zu laufen. Aus eigener Erfahrung habe ich folgende Phasen durchgemacht:

Verzweiflung
Jetzt verpasse ich mein Ziel. Während meine Konkurrenten alle 100% gesund am trainieren sind, muss ich untätig zu Hause sitzen.

Hypermotivation
So, jetzt zeige ich der Welt, was man mit Alternativ-Training erreichen kann! Jetzt erst recht!

Gleichgültigkeit
Eigentlich ist alles Wurst. Ich geniesse die trainingsfreie Zeit und pfeife auf den Sport.

Wut
Ich habe mich so lange konsequent an die Laufpause gehalten, aber die Schmerzen sind immer noch nicht weniger geworden. Und warum habe ich die Verletzung nicht kommen sehen? Warum habe ich nicht früher pausiert?

Erleichterung
Endlich ist der Schmerz weg! Endlich trainieren! Endlich, endlich.

Zweifel
Ist der Schmerz wirklich weg? War da nicht ein Zwicken?

Vertrauen
Verletzung? Ah stimmt, da war mal was.

Gesundheit 

Ist nun Laufen überhaupt gesund oder ist es nur eine Frage der Zeit bis sich Läuferinnen und Läufer verletzen? Ich bin überzeugt, dass Laufen grundsätzlich sehr gesund ist und das Wohlbefinden der Sporttreibenden verbessert. Dies habe ich nach dem Wiedereinstieg nach mehreren Jahren (nicht verletzungsbedingter) Laufpause selber erlebt. Ich sehe die positiven Effekte auch immer wieder an Personen in meinem Umfeld, die mit Laufen (wieder) beginnen. Für das Schlusswort bemühe ich daher Paracelsus: „Dosis sola venenum facit“ (Allein die Menge macht das Gift).