Sie erhalten von der Schwei­zer Sporthilfe keine finanzielle Unterstützung. Wie schaffen Sie dennoch den Spagat zwi­schen Beruf und Sport?
Christian Kreienbühl: Ich habe eine 50-Prozent-Arbeitsanstellung mit fünf Wochen «Ferien» – also Trainingslagern. Und durch die Spitzensportförderung der Armee kann ich zusätzlich 100 Tage im Jahr «WK» in Trainingslagern verbringen.

Gibt es dennoch Einnahmen abseits Ihres Jobs?
Finanziell erhalte ich vom Verband Swiss Athletics ein sehr kleines monatliches Fixum. Dazu kommt nochmals ein ähnlicher Betrag von meinem Fan-Klub.

Wie sieht es mit Sponsoren aus?
Ich habe fast ausschliesslich Materialsponsoren. Sprich: Ausrüstung und Mobilität.

Und die einzelnen Wett­kämpfe werfen nichts ab?
Start- und Preisgelder sind für einen Marathonläufer sehr bescheiden. Wenn, dann ist es auf meinem Niveau nur an Läufen in der Schweiz möglich.

Haben die Olympischen Spiele in Rio vor zwei Jahren für Sie keine Türen geöffnet?
Ab und zu verdiene ich seither eine kleine Gage für Vorträge bei Firmen.

Gibt es noch weitere Zuwendungen?
Ich habe einzelne Verbilligungen via Swiss Olympic und Swiss Athletics durch meine Kaderzugehörigkeit – zum Beispiel bei der Krankenkasse, beim Mobiltelefonvertrag und bei Kontaktlinsen.

Zusammengefasst: Bleibt da was übrig?
In einem Jahr mit vielen Wettkämpfen samt Prämien und mit einigen Vorträgen komme ich mit dem Sport auf eine schwarze Null. Mittlerweile schreibe ich aber leicht rote Zahlen. Dank der 50-Prozent-Anstellung kann ich aber trotzdem gut leben – und als Sportler habe ich grundsätzlich sowieso ein sehr privilegiertes Leben. Tatsächlich sind die meisten Sportler aber mausarm. Es wird einfach von der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen.

In einem Jahr mit vielen Wettkämpfen samt Prämien und mit einigen Vorträgen komme ich mit dem Sport auf eine schwarze Null.

Die grosse Förderin im Hintergrund

Wie die Sporthilfe Sportler unterstützt. Ohne die Schweizer Sporthilfe kein Spitzensport: Seit vielen Jahren unterstützt die Stiftung besonders Athleten aus Randsportarten auf ihrem Weg. Auch viele Elite-Athleten aus der Region profitieren davon.

Elf Medaillen sollten es in Südkorea werden. Letztlich gab es sogar 15-mal Edelmetall für das Schweizer Olympia-Team. Es ist die beste Bilanz an Winterspielen aller Zeiten, die Ralph Stöckli entsprechend euphorisch kommentierte: «Sensationell was das Schweizer Team abgeliefert hat. Darauf darf man als Schweiz, aber auch ich als Chef de Mission, stolz sein.»

Einen wesentlichen Anteil an diesen sportlichen Höhepunkten hat auch die Schweizer Sporthilfe. Seit bereits 48 Jahren unterstützt sie leistungsorientierte Schweizer Nachwuchshoffnungen finanziell – damit kein Talent auf der Strecke bleibt. Davon profitieren konnte auch ein Grossteil der Olympia-Medaillengewinner.

So beispielsweise die vier Bronze-Curler des Männerteams, zu dem der Ustermer Claudio Pätz zählt. Genauso wie seine Kollegen ist er im Besitze einer sogenannten Swiss Olympic Card mit Gold-Status. Der 30-Jährige zählt damit sogar zu einem exklusiven Kreis in der Förderung der Sporthilfe. Denn nur gerade 27 der 350 unterstützten Athleten haben eine Gold-Karte.

Vergeben werden die in Gold, Silber und Bronze unterteilten Karten von Swiss Olympic nach internationalen Wettkampfleistungen oder vorhandenem Potenzial – und in Absprache mit dem jeweiligen Sportverband.

 

Grosse Beitragsunterschiede

Im Falle des nach Olympia zurückgetretenen Pätz – und auch seiner drei Teamkollegen – beträgt der jährliche Förderbetrag 12’000 Franken. «Wir legen sämtliche Beträge zusammen», sagt er. «Mit dem Geld können wir unsere Reisen finanzieren.» Pätz erhielt damit aber deutlich weniger als andere Olympia-Athleten aus der Region. So bezieht der Grüninger Skifahrer Gilles Roulin das Doppelte und die Snowboarderin Isabel Derungs aus Riedikon sogar 36’000 Franken – den Maximalbetrag für olympische und paralympische Sportarten.

«Ohne die Sporthilfe hätte ich meine Karriere längst aufgeben müssen», ist für Derungs klar. Seit 2012 wird sie von ihr unterstützt und schätzt den ungefähren Anteil auf etwa 70 Prozent ihres Gesamteinkommens ein. In früheren Jahren wurde die Oberländerin von ihren Materialsponsoren auch noch finanziell unterstützt. Nur: Mittlerweile sind die Umsätze in der Snowboard-Branche eingebrochen – und damit gibt es auch keine Direktzahlungen mehr. «Da sowohl die Höhe der Fördergelder, wie auch die Unterstützung von privaten Sponsoren variieren, schaue ich fortlaufend, ob es finanziell nochmals für eine Saison reicht», sagt die 30-Jährige.

Erst am Anfang ihrer Karriere steht die Wermatswiler Dressurreiterin Estelle Wettstein (21), die ebenso jährlich 36’000 Franken erhält. Der hohe Zuschuss kommt nicht von ungefähr aufgrund der Pferdekosten für Unterhalt, Tierarzt und Physio. «Ich bin nicht nur Athlet, sondern auch Trainerin meines Pferdes», sagt Wettstein, die nach der kaufmännischen Ausbildung mittlerweile auf dem elterlichen Sport- und Handelsstall Fohlenhof voll eingebunden ist.

Mit einem Zuschuss von 6000 Franken deutlich tiefer als Wettstein eingeschätzt sind der Squasher Dimitri Steinmann aus Dübendorf und der Ustermer Orientierungsläufer Riccardo Rancan – dies trotz derselben bronzenen Swiss Olympia Card. Beide können dadurch weitgehend ihr Auslandreisen an Wettkämpfe oder auch Trainingslager decken. «Da ich Student bin und fast keine Zeit für einen Nebenerwerb habe, bin ich dafür sehr dankbar», sagt Rancan.

Im Fall von Steinmann und Rancan ist der Beitrag auch tiefer, weil die Schweizer Sporthilfe zwischen olympischen respektive paralympischen und nicht olympischen Sportarten unterscheidet. Erstere erhalten Förderbeiträge zwischen 12’000 und 36’000 Franken, die restlichen Sportarten 6000 bis 18’000. Weitere Faktoren neben der sportlichen Priorisierung bei der Errechnung sind der finanzielle Bedarf und das Gesamtbild des Athleten (Lebenssituation/Engagement Mittelbeschaffung).

Unabhängig davon erhalten alleine 33 Athleten aus der Region derzeit Unterstützung von der Sporthilfe. Darunter ist die nach mehreren Knieverletzungen noch rekonvaleszente Judoka Fabienne Kocher aus Riedikon oder auch der zuletzt kürzer getretene Rütner Olympia-Fechter Peer Borsky.

«Alle Athleten müssen jedes Jahr einen neuen Antrag einreichen mit den genauen Angaben zu ihrer aktuellen Situation», sagt dazu Lukas Gerber, Leiter Athletenförderung bei der Schweizer Sporthilfe. Ausbezahlt werden die Beiträge schliesslich in zwei Tranchen –und in Absprache mit dem betroffenen Chef Leistungssport. «Damit kann eine Auszahlung des vollen Förderbeitrages an inaktive Athleten minimisiert werden», erklärt Gerber.

 

Roulin bald in anderer Liga?

Einer, der vielleicht bald keine Unterstützung mehr benötigt, ist der in dem eben zu Ende gegangenen alpinen Weltcup-Winter zu den positiven Überraschungen zählende Gilles Roulin. Im Schweizer Abfahrtsteam fährt derzeit einzig noch Beat Feuz sportlich in einer anderen Liga. Der Weltmeister von 2017 hängt – genau so wie alle anderen prominenten Ski-Aushängeschilder – aufgrund seines hohen Einkommens dank namhafter Sponsoren schon längst nicht mehr am Tropf der Schweizer Sporthilfe.

Roulin selbst hat noch keinen Überblick über seine laufenden Einnahmen und macht sich zu seiner Situation derzeit keine Gedanken. Der 23-Jährige wird erst später eine Auslegeordnung machen, und dann mit der Stiftung Rücksprache nehmen.

Kreienbühl hat Elite-Karte

Aus Oberländer Sicht sucht man bei den von der Schweizer Sporthilfe ge­förderten Athleten dafür den Namen des Rütner Marathonläufers Christian Kreienbühl vergeblich. Der Olympia-Teilnehmer von Rio de Janeiro (76. Platz) im Sommer 2016 und vierfache Schweizer Meister (Cross, Halbmarathon, 10’000 m, Marathon) verfügt «nur» über die tiefer eingestufte Elite Card von Swiss Olympic und erhält dadurch auch keine Zuwendungen von der Sporthilfe.

Sein Pech: Kreienbühl holte bei der EM 2016 in Amsterdam zwar Gold in der Team-Wertung. Nur werden innerhalb der olympischen Sportarten ausschliesslich die olympischen Disziplinen berücksichtigt. Und dazu zählen weder die Team-Wertung, noch der Halbmarathon. Kreienbühl müsste nach den Richtlinien bei einem EM-Marathon unter die besten 12 laufen und daneben das Potenzial für einen Top-8-Rang an einer WM oder für Olympia haben, um eine Bronze-Karte erlangen. Es ist eine Messlatte, die für den 36-Jährigen letztlich zu hoch liegt.

Aus Oberländer Sicht sucht man bei den von der Schweizer Sporthilfe ge­förderten Athleten dafür den Namen des Rütner Marathonläufers Christian Kreienbühl vergeblich.

(Noch) keine Förderung

Gänzlich aussen vor bei der Sporthilfe bleiben derzeit noch die Schwinger. Grund dafür ist, dass das Aufnahmegesuch des Eidgenössischen Schwingerverbands bei Swiss Olympic erst im November 2015 gutgeheissen und er so erst letztes Jahr offiziell Mitglied wurde. Schon bald sollte aber die Einstufung der Sportart erfolgen, womit dann auch die Schwinger für Fördergelder berechtigt sein werden. Keine Hoffnung auf eine Berücksichtigung in der nahen ­Zukunft haben hingegen weiterhin Mannschaftssportler von nicht-olympischen sowie von paralympischen Sportarten.

Text züriost: Die meisten Sportler sind mausarm und Die grosse Förderin im Hintergrund (David Schweizer) | Download: pdf und pdf